Bühne vs. Kostüm

…und die Bühne gewinnt! Sie gewinnt das Geld, die Wertschätzung und die Relevanz. Bühnenbildner*innen verdienen durchschnittlich 26% mehr als Kostümbilder*innen. 67% der Bühnenbildner*innen sind Männer. Wenn Kostüm-und Bühnenbild in einer Person liegen, bekomme ich nicht die Arbeit eines Bühnenbildes plus die Arbeit an einem Kostümbild bezahlt, sondern ein frei erfundenes Sümmchen für beides. Es wird nicht nach geleisteter Arbeit, sondern nach Personenanzahl bezahlt.

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Am Anfang ist das Stück und eine Idee zur Bühne. Das Kostüm wird zu einem späteren Zeitpunkt dazu geholt und passt sich den Begebenheiten an und dem was schon gedacht wurde. Alle Termine die die Bühne angehen muss ich unterschreiben, sie werden im Vertrag mit meiner Anwesenheit verpflichtet. Kostümtermine kläre ich souverän unter der Hand. Ich bin eine unterschätzte Frau. Ich mache auch Bühnenbilder. In meiner Position als eben diese habe ich Schwierigkeiten. Wenn ich ein Kostümbild mache und damit in die Schneiderei rein marschiere treffe ich auf Freunde. Gleiches mit Bühnenbild und Technik, treffe ich auf Kontrolleure die mir mit ihrer Skepsis zwei Möglichkeiten lassen:
  1. Ich bin wie ich bin, voll nett und bekomme gar nichts. Mein Bühnenbild wird bis zu Unkenntlichkeit zerrupft und die Antwort auf alle Frage lautet: Das geht nicht!
ODER
  1. Ich bin eine richtig fiese Bitch und drohe mit Beschwerden beim Intendant*in, bekomme so ziemlich alles und schäme mich bei jedem Blick in den Spiegel.
In der freien Szene läuft es meist nicht viel besser. Hier ist es weniger ein Mann*Frau-Ding als ein irgendwas-ziehen-wir-dann-schon-an-Ding. Das „Irgendwas“ sieht man auch und wird dann gerne als gewolltes Understatement erklärt. Kostümbild ist eine Sprache die erzählt und gesprochen werden will, die Stück oder Projekt miterzählt oder kontrastiert. In jedem Fall aber Leinwand für die Bilder in den Köpfen der Zuschauer ist. Theaterkritiker*innen sind hier Spiegel und Förder*innen zugleich. Der*Die Bühnenbildner*in wird genannt, die Bühne bildhaft beschrieben, gelobt oder zerrissen, verstanden oder neugedacht. Das Kostümbild geht in den Vermissten-Anzeigen unter und wenn nicht, ist meine Arbeit ein Name in Klammern am Ende eines unzusammenhängenden Satzes.

Ich liebe das Kostüm-und Bühnenbilder machen. Ich liebe Theater. Ich liebe meinen Beruf. Also fordere ich:

Gleiche Gage für Männer und Frauen Gleiche Gage für Bühnen-und Kostümbildner*innen Bühnen- und Kostümvergütung zu je 100% Und wünsche mir (ich wünsche deswegen, denn hierbei kann jeder, der in der Darstellenden Kunst arbeitet jetzt sofort bei sich anfangen): Eine innere Unterlassungsverfügung gegen die Unterschätzung der Macht und der Schönheit eines Kostümbildes, sowie gleiche künstlerische Teilhabe von Kostüm-und Bühnenbild. Vielen Dank!

Meinung

Kommentare (2)

  • Sehr gutes und von mir mit Kolleg*innen viel diskutiertes Thema! Allerdings kann man auch an ziemlich krasse Kostümchef*innen geraten, die einen in den Entwurf reinreden oder diesen boykottieren (dies und jenes könne nicht angefertigt werden, obwohl in der Schneiderei gerade Zeit wäre/ es werden zu wenig Akleider*innen eingeteilt, was sich nun nicht mehr ändern ließe/etc) wollen. Also nicht sehr freundschaftlich. Das man klare, feste Abgabetermine bei der Bühne haben muss hängt ja auch mit der Produktionszeit in den Werkstätten des Bühnenbildes zusammen, aber dass es durchaus ein schmaler Grad zwischen Nett-sein und Bitch-sein ist, um Dinge auf der Bühne zu bekommen, kann ich nur bestätigen und es ist auch der Teil meines Jobs, den ich am meisten hasse: jedes Mal in einem Duell treten zu müssen, um Ideen verwirklichen zu können. Ich hatte das Glück, dass die Technik oft dennoch freundlich blieb und man über Dinge durchaus diskutieren konnte.

    All das ändert aber nichts daran, dass Bühnenbildner*innen und Kostümbildner*innen gleich bezahlt werden sollten und auch die Anerkennungen beider Berufe sehr viel höher sein müsste Und das häufig eben nicht Regisseur*innen die ästhetischen Ideen für Kostüm und/oder Raum hatten, wie einem so manch Kritiker*in dann weiß machen möchte.
    Oft begegnet es mir, dass Leute glauben, ich verwirkliche in meinem Job letztendlich die ästhetische Idee des Regisseurs, als sei ich nur ausführenden Hand. Das ist etwas, was mich sehr ärgert. Gerade in Anbetracht dessen, dass gerade beim Kostüm die wenigsten Regisseur*innen auch nur die geringste Idee haben.

  • Ja da hast du recht! Auch in der Schneiderei gibt es eine Art Verweigerung. Oft empfinde ich es so, also würde ich anderen Arbeit aufdrücken, die sie gar nicht machen wollen und das fühlt sich ganz grauselig an. Aber ich verstehe auch die Werstätten-Seite, die teilweise total überlastet sind und wie am Fließband produzieren müssen und selbst gar nicht mehr hinterher kommen.
    Gleiche Bezahlung von Kostümbildern*innen und Bühnenbilder*innen und das zu jeweils 100%!!!! Unbedingt!!!
    Dieser Gedanke beschäftigt mich auch schon länger, dass der*die Austatter*in manchmal nur wie ein Anhängsel wahrgenommen wird. Ich jedenfalls bin noch auf der Suche nach meiner Stimme im Theater! Mal mehr, mal weniger 😉

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