Wo gute Arbeit nicht reicht

Ein Text von Pia Alena Wagner Darstellen als Beruf ist kein Traum, sondern Arbeit. Dies sei zuerst gesagt. Natürlich träumen viele davon, auf der Bühne zu stehen oder am „magischen“ Prozess des Machens eines Stücks beteiligt zu sein. Viele aber auch nicht. Und das ist okay. Was mich genau dazu bewegt hat oder bewegt, Theater zu machen, kann ich schwer auf den Punkt bringen. Aber ich vermute, dass es etwas mit Bestätigung und mit Aufmerksamkeit zu tun hat. Wie bei uns allen in „der Branche“, die wir Kinder bleiben und spielen wollen und vor allem gut spielen wollen. Und unsere Streicheleinheiten brauchen von Regisseur*innen und Publikum oder Meinungsmacher*innen. Ich unterstelle trotzdem, dass viele Menschen, die im Bereich Schauspiel arbeiten, dies ebenfalls, wenn nicht sogar hauptsächlich mit der Motivation tun, berühmt zu werden. Und „Berühmt-Sein“ bleibt hier, wie eigentlich alles, Ansichtssache. Ruhm kann bedeuten, es eines Tages bis nach Hollywood zu schaffen um sich wer-weiß-welchen Luxus zu gönnen, die Menschen zu treffen, von denen andere nur träumen oder einen bestimmten Lifestyle zu verfolgen, von dem wir glauben, dass „so nun mal die Reichen leben“. Und ein Oscar. Und eine Oscar-Speech. Das wäre wohl das Maximum für diejenigen. Für wiederum andere bedeutet Ruhm, an ihrem Stadttheater so viele Jahre treu gedient zu haben, dass sie als Urgestein gelten, als Original, dass sie „den Neuen“ Tipps geben und die Hauptrollen zuverlässig in der Tasche haben. Und auch das ist okay. Wenn alle Beteiligten damit zufrieden sind. Und natürlich gibt es dazwischen noch unendlich viele Fantasien und Zwischenstufen von realem oder erträumtem Ruhm. Ich persönlich habe ein seltsames Verhältnis zu beruflichem Ehrgeiz und Ruhm. Ich kann mich von diversen, sehr albernen Träumen zu Ruhm nicht freisprechen. Allerdings bleiben sie für mich ganz klar immer (nicht realistische) Träume. Praktisch arbeite ich nämlich ganz und gar nicht darauf hin, berühmt zu werden – ich gehe weder zu Castings und habe sehr selten überhaupt mal einen Monolog vorgesprochen. Ich gehe fast nie auf Premierenparties oder Vernissagen – geschweige denn Galas oder Ähnliches! Und sollte ich dort doch mal anzutreffen sein, werden Sie mich sicher nicht dabei beobachten, wie ich mich an erfolgversprechende neue Bekanntschaften heranschmeiße. Andererseits fühle ich mich aber als Mensch und Darstellerin umso mehr bestätigt, wenn ich trotzdem für Jobs angefragt werde. Wegen meiner Bescheidenheit, meiner Nettigkeit, meiner Professionalität. Jedenfalls sind mir all diese „Events“ ein absoluter Graus – und das sage ich nicht aus Koketterie, nicht aus künstlerischer Schrulligkeit oder Weltfremdheit. Ich finde einfach nur, dass die meisten, die in Theater, Film oder Fernsehen arbeiten, keine netten Menschen sind. Weil sie eine scheinbare Weltfremdheit vortäuschen, sich jedoch in Wirklichkeit eiskalt berechnend mit denjenigen abgeben, die sie für erfolgversprechend halten – die Lauten, die Exzentrischen, die Untröstlich-Tragischen, die schlicht Wahnsinnigen, die Berühmten. Wie oft ist es mir in Gruppen von Theatermenschen schon passiert, dass mir ins Wort gefallen oder ich schlicht überhört wurde. Oft mit der scherzhaften Begründung, ich solle doch „mehr senden“ (eine schöne Formulierung aus dem Sprechunterricht der meisten Schauspielschulen). Irgendwann begriff ich aber, dass es daran nicht lag. Sondern an dem Fakt, dass in solchen Fällen alle mich umgebenden Menschen egozentrische Aufmerksamkeits-Junkies und viele auch einfach Arschlöcher waren. Im Übrigen glaube ich, dass diese „Eigenartigkeit“ der meisten Menschen aus „der Branche“ reine Erfindung ist. Ich erkenne an, dass jede*r ihr Päckchen zu tragen und ihre eigene Toleranz für traumatische Erfahrungen ihres Lebens. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, dass die meisten, die in Kontakt mit Kultur und Kunst kommen und sich demnach entscheiden, einen Beruf in dieser Sparte zu verfolgen, typischerweise aus begüterteren und behüteteren Familien kommen, als solche, die diesen Kontakt nicht hatten oder haben. Natürlich sind beide Formen der Familienführung nicht synonym und meine These lässt sich nicht pauschalisieren, sie bestätigt sich allerdings trotzdem erstaunlich oft. „Bohème“ sind sie jedenfalls nicht im ursprünglichen Sinne. Auch das ist gut so. Denn sonst würden sie ja hungern. Und zwar unfreiwillig. Worauf ich hinaus möchte, ist, dass von uns, die wir in Performance, Theater, in Film und Fernsehen (etc.) arbeiten, verlangt wird (oder wir von uns selbst verlangen), einerseits in unserem eigentlichen Beruf ein Talent, andererseits, wie in allen anderen Berufen auch, zuverlässig, maximal flexibel, professionell zu sein. Hinzu kommt aber – und hier bleibe ich auf der Strecke – dass wir abgewichste Profis werden müssen, was das Imitieren von persönlichen Problemen und Spleens in Kombination mit einer schamlosen Offenlegung dieser gegenüber denen, die uns interessant finden müssen angeht. Nämlich die, die wir interessant finden. Weil sie uns scheinbar Ruhm versprechen. Wie auch immer dieser für uns aussieht.

Gastbeitrag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert